Erd- und Ackerhummeln surren in einem Blütenmeer

Dr. Berit Philipp (im Bildhintergrund) von der NABU-Naturschutzstation Münsterland zeigte sich von dem Zwischenergebnis der ökologischen Aufwertung der Tennisplatzanlage begeistert. Foto: Lukas Peschke
14. Juli 2024
Lukas Peschke

Naturkundlicher Rundgang auf dem TCO-Vereinsgelände

Im Jubiläumsjahr stehen beim Tennisclub Ostbevern zahlreiche sportliche und außersportliche Vereinsaktivitäten an. Dass sich unter den Programmpunkten auch ein naturkundlicher Rundgang auf der Sportanlage an der Westbeverner Straße befindet, ist auf den ersten Blick ungewöhnlich. Doch wer in den vergangenen drei Jahren die Entwicklung der Vereinsanlage in unmittelbarer Bevernähe verfolgt hat, dem wird – neben den ausgelasteteren Aschetennisplätzen – auch eine artenreichere Grünstruktur in Flora und Fauna aufgefallen sein.

Bestandsaufnahme nach drei Jahren ökologischer Aufwertung des Vereinsgeländes

Unter dem Titel „Heimat nachhaltig gestalten und natürlich erlebbar machen“ setzte der Tennisclub im Rahmen eines Heimat-Scheck-Projektes, das mit 2.000 Euro durch das nordrhein-westfälische Heimatministerium finanziell unterstützt wurde, mehrere Maßnahmen zur ökologischen Aufwertung des weitläufigen Vereinsgeländes um.

Ein naturkundlicher Rundgang unter Führung von Dr. Berit Philipp, Biologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin mit dem Schwerpunkt Insekten und Insektenschutz an der NABU-Naturschutzstation Münsterland, bot nun Gelegenheit zur Bestandsaufnahme und zum Erfahrungsaustausch. Dabei spielte auch das Thema Umweltbildung, also ein Verständnis für Natur und Biodiversität zu schaffen, eine bedeutende Rolle, die sich unter anderem in aufgestellten Infotafeln ausdrückt.

Bedeutung des Insektenschutzes

Dr. Philipp betont die Wichtigkeit des Insektenschutzes: „Drei Viertel aller in Deutschland heimischen Tiere sind Insekten. Dazu gehören Bienen und Wespen, Schmetterlinge und Libellen, Schwebfliegen und Nachtfalter, Mücken oder auch Käfer und Ameisen. Insgesamt sind rund 33.000 Insektenarten in Deutschland bekannt.“ Aber: „In den vergangenen vier Jahrzehnten ist die Biomasse bei Fluginsekten um 75 % zurückgegangen. Insekten sind als Hauptbestäuber und, da sie vielen Spezies als Nahrungsgrundlage dienen, wichtig für das Funktionieren unserer Ökosysteme.“ Hinzu kommt: Infolge des Klimawandels begünstigt das Zusammenbrechen von Ökosystemen in trockenen Jahren beispielsweise die Ausbreitung des Borkenkäfers oder auch des Eichenprozessionsspinners, wenn natürliche ‚Gegenspieler‘ fehlen. Auch deshalb sei ein Stoppen des Biodiversitätsverlustes, insbesondere durch einen Verlust an natürlichem Lebensraum ausgelöst, essentiell für eine lebenswerte Zukunft für Mensch und Tier.

Die richtige Pflege ist entscheidend

So sind auch bei uns traditionelle Heuwiesen in den vergangenen Jahrzehnten seltener geworden. Diese werden ein oder zwei Mal im Jahr gemäht, um das Austreiben von heimischen, konkurrenzschwachen Blühpflanzen zu ermöglichen und zugleich ein Dominieren konkurrenzstärkerer Gräser zu vermeiden. Für eine langfristige Erhaltung der Arten- und Blütenvielfalt von nachhaltigen Blühflächen ist vor allem die Pflege entscheidend. Ein Tipp der Expertin: „Lassen Sie Blühflächen auch nach der Blüte stehen. Als Überwinterungsquartiere sind diese für Insekten wertvoll.“ Zugleich sei ein Rückschnitt nach den Wintermonaten notwendig, um eine Vergrasung zu vermeiden, mit der auch der Blühaspekt innerhalb weniger Jahre verschwände und ein zweiter Rückschnitt in den Sommermonaten möglich, um ein zweites Austreiben der Blühpflanzen zu ermöglichen. Eine zu späte Mahd (im September) hingegen hat ebenfalls eine Vergrasung zur Folge. Sinnvoll sei eine gestaffelte Mahd in Teilflächen und wichtig das Abtragen der abgemähten Biomasse.

Insektenwelt im Kreis Warendorf: Expertentipps für den heimischen Garten

Dr. Berit Philipp erläuterte im Rahmen des naturkundlichen Rundgangs die Bedeutung der Artenvielfalt für das Ökosystem und das Zusammenspiel von heimischer Flora und Fauna: „Die Insektenwelt im Kreis Warendorf ist auf heimische Pflanzen angepasst und angewiesen. 30 % der heimischen Arten sind hochspezialisiert, zumeist auf eine bestimmte Pflanze. Besonders viele unserer Wildbienenarten sind bei der Suche nach Nahrung auf einzelne, heimische Wildblumen spezialisiert. Mit exotischen Blumen können sie nichts anfangen. Deshalb ist es wichtig, heimische Wildblumen und Sträucher zu pflanzen. Sie bieten unseren Insekten besonders viel Nahrung und Lebensraum.“

So ist die Pflanze Gewöhnlicher Natternkopf für die, wie der Name verrät, Natternkopf-Mauerbiene überlebenswichtig, da sie Proviant für ihren Nachwuchs ausschließlich auf Natternkopfgewächsen sammelt. Um möglichst vielen Insektenarten einen Lebensraum zu schaffen, ist Strukturreichtum in den heimischen Pflanzenarten, kurz Artenvielfalt, wichtig. Für den konkreten Anwendungsfall bedeutet dies: „Oft braucht es nicht viel, um im Garten Lebensräume für heimische Insekten zu schaffen. Auch müssen Sie aus Ihrem Garten keine Wildnis machen – ein paar heimische Wildblumen und Sträucher, eine kleine Ecke mit Totholz und eine Trockensteinmauer mit Ritzen und Nischen bieten Insekten Nahrung und Unterschlupf. Und mit den Insekten kommen Vögel, Igel und weitere Tiere in Ihren Garten.“

Die Expertin rät: „Man muss gar nicht immer aktiv werden. Überlassen Sie eine Teilfläche des Gartens – diese kann auch uneinsichtig sein – der Natur und lassen Sie diese einfach wachsen. Beobachten Sie, welche Wildkräuter bereits im Boden stecken. Solche verwilderten Ecken mit unscheinbaren Wildpflanzen sind ein wertvoller Lebensraum.“

Hummeln und Bienen

Hummeln sind neben Wild- und Honigbienen die wichtigsten Bestäuber unserer Nutz- und Wildpflanzen. Auf der Suche nach Nahrung fliegen sie an einem Tag bis zu 1.000 Blüten an. Während ein Hummelvolk aus 50 bis 600 Tieren besteht, sind Honigbienenvölker mit rund 70.000 Tieren deutlich größer. Von rund 40 in Deutschland lebenden Arten, sind sieben Hummelarten, darunter die Erdhummeln und die Ackerhummeln, noch relativ häufig anzutreffen. Doch auch hier zeigt sich ein massives Problem: Im Jahr 2022 wurden in Deutschland rund eine Million Bienenvölker gezählt. Das entspricht einem Durchschnitt von 2,8 Völkern pro Quadratkilometer. 1951 waren es mit 2,1 Millionen noch mehr als doppelt so viele Völker.

Bürgerschaftliches Engagement und Zuschüsse aus mehreren Programmen

Ursprung der Maßnahmen auf dem Vereinsgelände des Tennisclubs war ein Aufruf der NABU-Naturschutzstation im Sommer 2021, die sogenannte „NABU-Vereinsoffensive für mehr Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und Artenvielfalt auf Vereinssportanlagen“, an der fast zwanzig Vereine aus Münster und dem Kreis Warendorf teilnahmen. In Kooperation mit der NABU-Station, die ihren Standort in Hiltrup hat, wurde ein Konzept erarbeitet und in den Folgemonaten mit fachlicher Begleitung und wertvollen Ratschlägen in gemeinschaftlichen Projekten durch Vereinsmitglieder umgesetzt.

Durch die Kombination mehrerer Programme, konnten in den vergangenen drei Jahren insgesamt 3.500 € Fördermittel und Zuschüsse verbaut, versät und verpflanzt werden. Hinzu kommen weitere Vereinseigenmittel sowie zahlreiche ehrenamtliche Arbeitsstunden von Vereinsmitgliedern, ohne deren Einsatz, wie der Verein betont, eine Realisierung der Teilprojekte nicht möglich gewesen wäre. Darüber hinaus profitierte der Club beispielsweise von einer Kompost-Aktion der Gemeinde Ostbevern oder auch von einer Apfelbaum-Verteilaktion des Kreises Warendorf.

Konkret wurden unter anderem ein insektenfreundliches Staudenbeet am Clubhaus, eine Blühfläche am Haupteingang sowie eine große Blühwiese mit Apfelbäumen und ‚Bienenhotels‘ neben Tennisplatz 4 angelegt. Da sich einige Pflanzen erst im zweiten Jahr entwickeln, werden die Blütenmeere auf der TCO-Anlage in den kommenden Jahren noch prächtiger ausfallen. Doch auch in diesem Jahr surren hier schon zahlreiche Erd- und Ackerhummeln.

Brachflächenrecycling als aufwendiges Projekt

Das aufwändigste Projekt war das Anlegen einer etwa 300 Quadratmeter großen Blühfläche auf einer ehemaligen Brachfläche, die aufgrund bis auf den Tennisplatz wuchernder Brennnesseln und wilden Brombeeren kaum zugänglich war. Im Sinne eines ‚Flächenrecyclings‘ wurden, nach dem Vorbereiten der Fläche durch Freischneiden sowie Entfernen von Wurzeln, Geäst und Grünabfällen, zunächst mehrere Tonnen abgelagerter ‚Altasche‘, also altem Ziegelmehl von den Tennisplätzen, fachgerecht entsorgt. Im Zeitraum April 2023 bis Mai 2024 wurde die Fläche mittels Trecker und Radlader, aber auch per Hand in mehreren Arbeitseinsätzen mit zahlreichen Helferstunden ehrenamtlichen und bürgerschaftlichen Engagements bearbeitet. Nach dem Nivellieren, Fräsen und Harken sowie dem Anlegen eines Weges, der eine Zugänglichkeit zu der Fläche wiederherstellte, um bspw. über den Zaun geschlagene Bälle wiederholen zu können, folgte das Einsäen von Regio-Saatgut der „Warendorfer Mischung“. Von meterhohen Brennnesseln umsäumt und ergänzt durch Nisthilfen für Meisen, Halbhöhlenbrüter und Fledermauskästen rings um die Platzanlage, bilden kleinere Totholz- und Falllaubhaufen weitere Strukturelemente. Einer der Meisenkästen wurde im vergangenen Herbst durch Hornissen ‚zweckentfremdet‘, indem sie dort ein größeres Hornissennest anlegten.